Wie hoch sind die Unternehmenssteuern in Deutschland?

Unterschiedliche Bemessungsgrundlagen erschweren Vergleiche

Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clementwill die Unternehmenssteuersätze senken und den Standort Deutschland damit wettbewerbsfähiger machen. Doch das Problem der Unternehmenssteuern ist viel komplexer, als die Steuertarife nahelegen. Über die Frage, ob Deutschland für Unternehmen im internationalen Vergleich de facto ein Hoch- oder ein Niedrigsteuerland ist, streiten Ökonomen und Politiker deshalb schon lange.

Wird allein die KÖRPERSCHAFTSTEUER betrachtet, liegt Deutschland international eher im unteren Mittelfeld: Der durchschnittliche Steuersatz ist seit Mitte der achtziger Jahre von 56 auf 25 Prozent gesunken. Werden zur Berechnung der Unternehmenssteuern auch GEWERBESTEUERN und andere vergleichbare Steuern herangezogen, schneidet Deutschland mit 38,7 Prozent deutlich schlechter ab: Nur in den USA (39,9 Prozent im Bundesstaat New York) und Japan (40,9 Prozent) lagen die Tarife 2004 noch höher. Ein Großteil der neuen EU-Mitglieder in Osteuropa hat dagegen Unternehmenssteuersätze von weniger als 20 Prozent.

Laut Chrisptoh Spengel, Professor für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre an der Universität Gießen, müssen Unternehmen in Deutschland effektiv eine der weltweit höchsten Durchschnittsbelastungen tragen. Dagegen argumentiert etwa der Bundeswirtschaftsminister mit Blick auf OECD-Statistiken, dass Steuern auf Einkommen und Gewinne insgesamt nur knapp zehn Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts entsprächen - und Deutschland damit im internationalen Vergleich keineswegs ein Hoch-, sondern ein Niedrigsteuerland sei.

Fest steht dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) zufolge, dass in den vergangenen Jahren sowohl in den 15 alten EU-Staaten als auch bei den OECD-Ländern trotz verringerter Körperschaftsteuersätze das STEUERAUFKOMMEN gestiegen statt gesunken ist. Der Grund: Zugleich wurden in der Regel - so auch in Deutschland - Ausnahmen von der Besteuerung abgeschafft und damit die Bemessungsgrundlagen erweitert.

Vor allem sind die BEMESSUNGSGRUNDLAGEN jedoch international sehr unterschiedlich geregelt. So erhebt Estland als einziges EU-Land auf nicht ausgeschüttete Gewinne überhaupt keine Steuern; auch andere Faktoren wie etwa die Verrechnung von Verlusten werden verschieden gehandthabt. Und selbst innerhalb Deutschlands kann von einheitlicher Unternehmensbesteuerung keine Rede sein - für PERSONALGESELLSCHAFTEN und KAPITALGESELLSCHAFTEN gelten etwa bei der Gewerbesteuer verschiedene Regeln.

HARMONISIERUNG heißt deshalb das politische Zauberwort, um den Wettbewerb transparenter zu machen: Nachdem Pläne zu EU-weit einheitlichen Unternehmenssteuertarifen mehrfach gescheitert sind, machen sich die EU-Kommission und eine Mehrheit der Mitgliedstaaten einschließlich Deutschlands derzeit immerhin für einheitliche Bemessungsgrundlagen stark. Selbst dagegen wehren sich jedoch einige Länder wie Großbritannien, Irland und die Slowakei. Innerhalb Deutschlands strebt Clement zudem eine harmonisierte Unternehmenssteuer für Kaptial- und Personengesellschaften an - und folgt damit einem Vorschlag des Sachverständigenrats. Hier sind allerdings schwierige Verhandlungen mit Ländern und Kommunen zu erwarten.



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